Google, ChatGPT und die Bedrohung für Wikipedia: Was hier eigentlich passiert
Künstliche Intelligenz (KI) verändert derzeit vieles, was wir über das Internet und das Suchen nach Wissen wissen – und sie stellt ausgerechnet Wikipedia, die „freie Enzyklopädie“ des Netzes, vor große Herausforderungen. Aber was steckt eigentlich hinter dieser Bedrohung? Und ist der Untergang von Wikipedia wirklich schon eingeläutet? Hier erkläre ich dir, was gerade wirklich passiert, warum es spannend bleibt und weshalb die Zukunft der Wissensvermittlung noch lange nicht entschieden ist.
Was ist los? ChatGPT und Google AI übernehmen das Rennen um Antworten
Bis vor kurzem war Wikipedia für viele die erste Anlaufstelle, wenn schnelle und zuverlässige Informationen gefragt waren. Doch in den letzten Monaten hat ChatGPT Wikipedia in den Besucherzahlen überholt – ein Moment, der mehr bedeuten könnte, als auf den ersten Blick erkennbar ist[1]. Die neuen KI-Chatbots liefern Informationen oft so kompakt, direkt und freundlich, wie es ein langer Wikipedia-Artikel einfach nicht kann. Statt sich durch verschiedene Abschnitte zu wühlen, stellt man bei ChatGPT einfach eine Frage – und erhält sofort eine verständliche, zusammengefasste Antwort.
Das klingt nach Komfort – und genau das ist es, wonach viele Nutzer heute suchen. Die KI antwortet in natürlichen Sätzen, holt die Leute dort ab, wo sie stehen, und das ganz individuell. Kein Wunder also, dass immer weniger Menschen tatsächlich noch auf Wikipedia selbst landen, sondern sich direkt von Chatbots und KI-gestützten Suchfunktionen mit Know-how versorgen lassen[1][6].
Wieso ist das ein Problem für Wikipedia?
Wikipedia lebt von der Gemeinschaft: Die Plattform ist offen, jeder kann sie ergänzen oder verbessern. Genau das hat sie groß gemacht – aber auch verwundbar. Denn weniger Besucher bedeuten:
- Weniger neue Inhalte, weil weniger Menschen mitmachen.
- Weniger Korrekturen und Aktualisierungen, was langfristig die Qualität schwächen kann.
- Geringere Aufmerksamkeit, die für Spenden und die Weiterentwicklung nötig wäre[2][8].
Hinzu kommt, dass ChatGPT und andere KI-Bots ihr Know-how gar nicht neu erfinden, sondern zum großen Teil auf Wikipedia selbst zurückgreifen. Fast die Hälfte der wichtigsten Quellen von ChatGPT stammt direkt von Wikipedia-Artikeln[15][17]. Die KI wird also mit Wikipedia-Wissen gefüttert – gibt dieses Wissen aber nach außen aus, ohne dass Menschen noch direkt auf die Ursprungsseite zurückkommen müssen.
Was unterscheidet Wikipedia und ChatGPT?
Das eine ist eine offene Enzyklopädie, gebaut von einer Community, die Wert auf Nachvollziehbarkeit, Quellensicherheit und Transparenz legt. Das andere ist ein modernes KI-System, das mithilfe von riesigen Datenmengen (eben auch Wikipedia) lernt, Wissen im Dialog zu vermitteln. ChatGPT kann Informationen neu zusammensetzen, sie verständlicher machen und sogar kreativ ergänzen. Wikipedia dagegen sorgt dafür, dass alle Schritte nachvollziehbar bleiben, keine Erklärungen aus dem Nichts kommen und jede Aussage belegt ist[5].
Das eine ist also ein Fundament, das andere ein moderner Vermittler. Beide haben ihren Wert – aber sie spielen nach anderen Regeln.
Ist das nicht das Ende für Wikipedia?
Manche Studien wollten schon Wikipedia abschreiben, doch das Bild ist differenzierter, als es auf den ersten Blick scheint. Eine große Analyse des King’s College London zum Beispiel zeigt, dass die Nutzung von Wikipedia insgesamt gar nicht drastisch sinkt – im Gegenteil, in manchen Bereichen ist die Nutzung sogar gestiegen. Das betrifft besonders Länder und Sprachversionen, in denen ChatGPT (noch) nicht so weit verbreitet ist. Aber: Gerade in Bereichen, in denen Wikipedia-Artikel und ChatGPT-Inhalte stark überlappen, sinkt tatsächlich die Zahl der Besucher und der Mitmacher[4][3][7].
Das ist ein klarer Hinweis: Die größten Einbußen gibt es dort, wo die KI Antworten fast genauso liefert wie Wikipedia selbst. In anderen Bereichen bleibt Wikipedia weiterhin gefragt.
Welche Chancen stecken trotzdem in der Entwicklung?
Auch wenn Wikipedia bedroht scheint – die Verbindung von KI und Community-getriebenem Wissen kann neue Türen öffnen. Stell dir vor, Wikipedia entwickelt eigene KI-Tools: Anwendungen, die Wissen nicht nur anzeigen, sondern in Gesprächen erklären, Zusammenhänge hervorheben und spezifisch auf einzelne Fragen eingehen. So würde das Portal wieder näher an die Erwartungen der Nutzer rücken[5].
Ein weiterer Vorteil: Wikipedia bleibt offen und überprüfbar. Gerade in Zeiten, wo KI fehlerhaftes oder sogar erfundenes Wissen ausgeben kann, bleibt die Notwendigkeit einer „Grundquelle“ wie Wikipedia bestehen. Die Möglichkeit, Aussagen nachzuvollziehen, unterscheidet Wikipedia von jeder rein KI-getriebenen Antwort-Plattform.
Und was heißt das für uns alle?
Die Welt des Online-Wissens wird bunter und vielfältiger. Es reicht heute nicht mehr, auf eine einzige Quelle zu setzen. Wer klug ist, nutzt das Beste aus beiden Welten:
- ChatGPT bietet schnelle, verständliche Erklärungen für die alltäglichen Fragen – quasi den Einstieg ins Thema.
- Wikipedia gibt die Tiefe, die Nachweise und die Möglichkeit, Dinge selbst kritisch zu prüfen und weiterzudenken[5].
Wer Information sucht, sollte sich nicht nur auf das Verdauliche verlassen, sondern auch nachschauen, was der Ursprung war – und ob alles wirklich so stimmt, wie es klingt.
Mein Fazit: Wandel statt Untergang
KI verändert nicht nur, wie wir Wissen suchen, sondern auch, wie wir es bewerten und verbreiten. Wikipedia verschwindet nicht, sondern bekommt einen neuen Platz im Mosaik der Informationswelt. Es wird entscheidend sein, wie gut die freie Enzyklopädie die Herausforderungen annimmt, sich öffnet für neue Formen des Dialogs – und wie engagiert die Community bleibt.
Das Internet hat uns gelehrt, dass Wissen nicht statisch ist. Wir sind als Gesellschaft gefragt, den Wandel zu gestalten – offen, experimentierfreudig und immer mit Blick auf Qualität und Verlässlichkeit.
Die Zukunft der Wissensvermittlung wird damit nicht ärmer – sie wird spannender. Und vielleicht, das ist meine Überzeugung, lernen wir alle gerade dabei, noch kritischer, neugieriger und kreativer mit Wahrheit umzugehen als je zuvor.