Künstliche Intelligenz und Urheberrechte: Das erste deutsche KI-Musterverfahren
Künstliche Intelligenz lernt aus Beispielen – doch dürfen KI-Systeme wirklich alles verwenden, was im Netz zu finden ist? Diese Frage ist aktueller denn je. Sie ist der Grund, warum in Deutschland gerade das erste „Musterverfahren“ zur Nutzung lizenzfreier Daten für das Training von KI gestartet wurde. Was auf den ersten Blick trocken klingt, hat gewaltige Auswirkungen darauf, wie sich KI in Europa und weltweit entwickeln wird. Es geht um nicht weniger als die grundlegende Frage: Wer bestimmt, was Computer lernen dürfen – und wer daran verdienen sollte?
Stellen Sie sich vor, Sie entwickeln eine neue KI und möchten sie mit Texten, Liedern, Bildern oder anderen Inhalten aus dem Internet trainieren. Viele dieser Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Das bedeutet, es gibt jemanden, der die Rechte daran besitzt – meist sind das Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren oder die Musikindustrie. Diese Urheber möchten verständlicherweise selbst entscheiden, wie ihre Werke verwendet werden, und erwarten möglicherweise eine Bezahlung. Auf der anderen Seite stehen die KI-Entwickler, die möglichst große und vielfältige Datenmengen brauchen, um ihre Systeme besser, genauer und vielseitiger zu machen. Hier beginnt das große Dilemma.
Im Mittelpunkt des aktuellen Falls steht die Frage, ob KI-Unternehmen wie OpenAI für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken – im konkreten Fall Liedtexte – beim Training ihrer KIs eine Lizenz einholen und bezahlen müssen. Oder ob sie sich auf das Prinzip der sogenannten „lizenzfreien Quellen“ stützen können. Lizenzfreie Quellen sind Inhalte, die entweder gar keinen Urheberschutz haben oder deren Rechte so gestaltet sind, dass jeder sie ohne Einschränkungen verwenden kann, etwa freie Wikipedia-Artikel oder gemeinfreie Kunst. Nun fragt sich die Branche: Wie weit darf man ohne Zustimmung gehen, bevor man Geld für die Nutzung zahlen muss?
Ein Meilenstein: Das erste Musterverfahren in Deutschland
Dieses Musterverfahren ist das erste mit grundsätzlicher Bedeutung in Deutschland. Die GEMA, die zentrale Institution für Musikrechte in Deutschland, klagt gegen OpenAI. Der Vorwurf: Das Sprachmodell ChatGPT soll Liedtexte deutscher Stars verwendet haben – und das ohne Lizenz und Entschädigung. Die Entscheidung in diesem Fall wird nicht nur über die Rechte von Musikerinnen, Musikern und Textschreiberinnen befinden. Sie wird auch die Regeln für alle anderen Arten von Inhalten beeinflussen, die KI nutzt. Die Besonderheit hierbei: Es treffen zwei Welten direkt aufeinander – urheberrechtliche Grundsätze, wie sie seit Jahrzehnten gelten, und die technischen Realitäten moderner KI-Systeme, die Millionen Inhalte in kürzester Zeit verarbeiten können.
Die weitreichenden Folgen der Entscheidung
Warum ist das so wichtig? Ganz einfach: Künftig wird jede KI, egal ob für Musik, Text, Bilder oder Videos, auf irgendeine Weise aus bestehenden Werken lernen. Wenn die Gerichte jetzt definieren, was erlaubt ist, beeinflussen sie nicht nur die Rechteinhaber selbst, sondern auch die Innovationskraft und den Wettbewerb in der gesamten KI-Branche. Gibt es strenge Vorgaben und hohe Lizenzkosten, dann wird es für kleine Start-ups und Forschungseinrichtungen schwerer, neue KI-Lösungen zu entwickeln. Gibt es andererseits gar keine Vergütung für die Urheberinnen und Urheber, kann das langfristig dazu führen, dass weniger gute Inhalte entstehen oder frei verfügbar sind.
Europas Weg: Offene Daten und digitale Souveränität
Das Spannende ist: In Europa ist man sich der Bedeutung von offenen, transparenten und gemeinschaftlich nutzbaren Daten besonders bewusst. Initiativen wie OpenEuroLLM setzen sich dafür ein, hochwertige und lizenzfreie Datensätze zu schaffen, die speziell für KI-Training genutzt werden dürfen. Dadurch werden technische Hürden für Unternehmen und Forschungseinrichtungen gesenkt, gleichzeitig werden Werte wie Transparenz und digitale Souveränität gestärkt. Gerade in Zeiten, in denen Superkonzerne aus den USA und China den Markt dominieren, ist es wichtig, eigene Standards zu entwickeln und europäische KI-Produkte zu fördern, die auf Fairness und Regeln setzen.
Umgang mit der Unsicherheit: Was bedeutet das für die Praxis?
Das Musterverfahren selbst wird vermutlich einige Zeit dauern – solche juristischen Prozesse sind komplex und benötigen häufig mehrere Instanzen, bevor ein Urteil steht. Die Entscheidung kann aber für jedes Unternehmen, jede Forschungseinrichtung und sogar für Privatpersonen spannend sein, die schon heute KI nutzen oder sich für digitale Rechte interessieren. Für KI-Experten und Entwickler bedeutet das: Noch ist unklar, unter welchen Bedingungen in der Zukunft lizenzfreie und urheberrechtlich geschützte Daten verwendet werden dürfen. Bis zur Klärung empfiehlt sich ein umsichtiger Umgang mit Trainingsdaten, Transparenz bei der Datenherkunft und ein offener Dialog mit Rechteinhabern.
Empfehlungen für KI-Nutzer
Für alle, die KI in ihrem Alltag oder Beruf einsetzen möchten, kann dieses Verfahren aufzeigen, wie der Umgang zwischen Technologie und Kreativität in Zukunft gestaltet wird. Wenn Sie darüber nachdenken, KI in Ihrer Organisation einzuführen, ist es wichtig:
- sich über die Rechte zu informieren,
- möglichst offene und lizenzfreie Quellen zu nutzen,
- die eigenen Ansprüche und Vorstellungen klar zu kommunizieren.
Wer Künstliche Intelligenz als Chance begreift, sollte diese Entwicklungen positiv sehen: Sie helfen, faire und klare Regeln zu schaffen, die sowohl Innovationen fördern als auch die Rechte von Kreativen achten. Die Zukunft der KI in Europa könnte durch das jetzige Verfahren ein Stück offener, gerechter und zukunftssicherer gestaltet werden.
Abschließend bleibt festzuhalten: Das erste KI-Musterverfahren über lizenzfreie Trainingsdaten ist ein Meilenstein, der nicht nur Juristinnen und Juristen sowie Entwicklerinnen und Entwickler, sondern uns alle betrifft. Es zeigt, dass KI und Urheberrecht im digitalen Alltag angekommen sind und wir mit entscheiden können, wie diese technologische Revolution verläuft. Bleiben Sie neugierig – die nächsten Wochen und Monate versprechen spannende Neuigkeiten über die Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz und darüber, wie wir sie gemeinsam verantwortlich nutzen können.